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Nature bears wisdom

Psychotherapie

 

Was ist Psychotherapie? Eine gute Frage …

In unserer modernen Medizin gilt jede Therapie der Beseitigung einer Krankheit – dem Vorgehen gegen Funktionsstörungen, abnormale Vorgänge oder Zustände unserer Organe, der Psyche, des ganzen Organismus.

Als Vertreterin humanistischer Psychotherapieansätze konnte ich dieser Idee noch nie viel abgewinnen. Wir sind keine Fehler, jedes Verhalten und jeder Ausdruck unserer selbst ist sinnvoll – es kommt darauf an, in welchem Kontext wir es sehen. Wir sind viel mehr als unsere Symptome. Wir haben einen unzerstörbaren Wesenskern, der nach Entfaltung drängt. Wir haben ein duales Bewusstsein, können eine Situation erleben und uns zugleich in ihr beobachten, wahrnehmen und ein Begleiter sein. Wir haben die Fähigkeiten zur Selbstregulation und -heilung sowie die Ressourcen, um die uns innewohnenden Potenziale kreativ und konstruktiv zu entfalten.

Ein Weg zu uns selbst

Sehen wir Symptome und „Störungen“ als Anzeiger emotionaler Verletzungen, wird jedes Verhalten sinnvoll, wenn wir den Kontext verstehen. Auch jeder erlebten Störung wohnt eine wesentliche Weisheit inne, derer wir uns annehmen, die wir entfalten können. Sie hat eine Botschaft für uns – nicht gegen uns. Sie braucht eine Hinwendung – keine Abwendung. Dafür brauchen wir eine gute Beziehung zu uns selbst und allem, was wir mitbringen. Es gilt, diese Energien zu stärken, zu unterstützen, in Fluss zu bringen, um unser Wesen und unsere seelische Wahrheit in unsere Lebenswirklichkeit hinein zu entfalten. 

In einer Kultur der (Selbst)Optimierung ist so eine Haltung ungewohnt.

Eine Würdigung unserer Erfahrungen

In der Regel werden wir von klein auf darauf getrimmt, uns in engen Bahnen zu bewegen, unerwünschte Verhaltensweisen abzustellen, bestimmte Emotionen nicht zu haben. Das „Gute“, „Richtige“ ist oft definiert und kennt wenig Spielraum. Wir reduzieren uns, statt uns zu erkunden und zu wachsen. Wir schränken unsere Seins- und Verhaltensmöglichkeiten immer weiter ein, statt zu lernen, unsere Körpersignale und Gefühlswahrnehmungen einzuordnen, Impulsen nachzugehen und Raum zu nehmen. Vieles war vielleicht einmal überlebenswichtig. Oft verharren wir aber innerhalb so gesetzter Grenzen, obwohl das nicht mehr nötig wäre. Weil wir uns nichts anderes vorzustellen wagen, als so oder so sein zu müssen, um sein zu dürfen.

Doch in all diesen Prozessen stecken Qualitäten und Kräfte.

Ein Zugang zu innerer Stärke

Störungen, die sich in vielen zum Teil schweren psychischen und physischen Symptomen und Symptomkomplexen manifestieren, weisen hartnäckig darauf hin, dass unsere natürliche Tendenz zur Entfaltung an oft schmerzliche Grenzen gestoßen ist, wir uns vielleicht selbsttätig einengen. Oft sind in diesem Prozess, der Blockierung, Energien gebunden, die wir für unser Sein und die Entfaltung dringend benötigen. So ist es gut und gesund für uns, dass die bedrängten Wesensanteile auf ihr Daseinsrecht bestehen – auch wenn wie dafür stören müssen.

In einer Depression wird manchmal viel Kraft dafür verwendet, nicht lebhaft und raumgreifend zu sein, sondern antriebslos gelähmt. In einer Essstörung wird jede Gefühlsregung mit Nahrungsaufnahme beantwortet, dabei liegen dem Essdruck meist höchst unterschiedliche Bedürfnisse zugrunde, die jedoch nicht sein dürfen und mit viel Aufwand abgedämpft werden müssen. Hinter paranoiden Gedanken steht womöglich eine Angst oder Aggression, eine unerledigte Angelegenheit, die uns nicht loslässt und „verfolgt“ – was wir lieber im Außen verorten und bekämpfen, statt in der eigenen Person.

Der Aufbau einer vorbehaltlos-liebevollen Selbst-Beziehung

Wer nun darauf zielt, das Symptom „wegzumachen“, wird nur eine weitere Tür verschließen: Er wird eine weitere Seins-, Ausdrucks- und Verhaltensmöglichkeit verlieren, die bisher ein wichtiges Ventil war. Die zusätzliche Beschränkung vergrößert die Not.

In der Gestalt- und Prozessarbeit nehme ich deshalb einen anderen Weg: Nähern wir uns der Störung; gehen wir an den Grenzen entlang, den Ängsten und angstbesetzten Überzeugungen (Glaubenssätze), die mit Symptomen und Veränderungen verbunden sind. Gewinnen wir ein feines Gespür für uns zurück, Neugier, Forschergeist und Vertrauen in unsere Wahrnehmung. Stärken wir den Teil in uns, mit dem wir uns als Ganzes sehen, schätzen und uns wirklich allem in uns zuwenden können. Nähern wir uns dann den tiefen Verletzungen, die aus der Zurückweisung entstanden. Und arbeiten wir respektvoll mit den inneren Treibern, Kritikern und Welterklärern, die uns noch am Schritt in etwas Neues hindern.

Das braucht manchmal Zeit. Um sich wieder spüren zu lernen und zu dürfen. Um eine eigene innere Begleitung aufzubauen, in der wir uns allem in uns selbst vorbehaltlos-liebevoll zuwenden können. Um all die inneren Dialoge und Auseinandersetzungen zu führen, die es braucht, um unsere Wahrheit ins Leben zu bringen und unsere Lebenswirklichkeit selbst zu gestalten. Dabei gewinnen wir die Fähigkeit, auch darüber hinaus unsere Potenziale sorgsam zu erspüren und zu verwirklichen.

Eine spirituelle Dimension

Für mich ist Psychotherapie auch spirituell. Die Psyche, unser Wesen, ist ein essenzieller Teil unserer selbst, der physisch nicht verortbar ist. Wir können Hirnaktivität messen, doch niemals die inneren Bilder sehen, die Emotionen fühlen, die den ganzen Menschen erfassen. Es gibt viel mehr zwischen Himmel und Erde als das, was vermeintlich feststellbar ist. Gleichwohl sind es genau diese höchst intensiven, individuellen Erfahrungen, Zustände und Erlebniswelten, Wertvorstellungen und Sinnempfinden, die unmittelbar auf die Lebensführung wirken und unsere Wirklichkeit auch in einer materiellen Welt erschaffen. Genau hier wirkt Psychotherapie.

Aus dieser Perspektive ist der Mensch verkörperte Wesenheit. Seele, die in einem Körper lebt. Unsere Ideen entstehen, bevor wir sie im Außen manifestieren. Wir erträumen die Welt. Die Welt erträumt uns. So kann ich auf der Ebene der fühlbaren Vorstellung mit Imaginationen, Phantasiereisen, Krafttieren oder Kraftorten spürbare (und sichtbare) Veränderungen im Hier und Jetzt bewirken, die sich auf das ganze Körper-Geist-System erstrecken.

Ich kann die Wahrnehmung von Körpersignalen und „Über-sinnlichem“ (Eingebung, innere Stimme, Bauchgefühl, Vision) trainieren und handlungsleitend nutzen lernen. Denn die besondere Chance besteht darin, schon die Tendenzen des Fühlens, Denkens, Wollens und Handelns (die sich oft körperlich manifestieren) als Potenziale zu erkennen und zu entfalten – vor dem Hintergrund der persönlichen Biographie – mit hoher Achtsamkeit insbesondere für Prozesse, Anteile und Schichten, die an der Grenze oder noch jenseits des Gewahrseins liegen.

Eine Öffnung ins Ungelebte

Hinter diesen Grenzen, an denen das bisherige Selbstverständnis endet und sich Neues, Unbekanntes erstreckt, finde ich das bisher Ungelebte – das Frustrierte und Verletzte ebenso wie das noch unbekannte Emergente unserer Selbst – das auch in uns steckt und ins Leben kommen möchte. Wir sind viel mehr als unsere Störung.

Wesenskernarbeit

Im Vertrauen darauf, dass unser Wesenskern keinen Schaden nehmen kann und dass unsere Hinwendung in einen Prozess führt, der unserer Entfaltung dient, wird eine spirituelle Psychotherapie ein mächtiges Instrument der Heilkunde. 

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